Ist Holacracy krisenresistent?
Seit 2016 arbeiten wir als Digitalagentur nach Holacracy â eine der bekanntesten Formen der Selbstorganisation. Immer wieder wurden wir in den vergangenen vier Jahren gefragt: Funktioniert diese Organisationsform auch in Krisen? Nach drei Wochen im Ausnahmezustand sagen wir JA, Selbstorganisation funktioniert auch in der Krise. Denn eine Krise ist nichts anderes als eine komplett neue Marktsituation â auf die sich das Unternehmen ausrichten muss. Und genau dafĂŒr wurde das System geschaffen. Das Krisenmanagement organisiert sich dabei radikal anders als bei klassischen Organisationen und ihrem Krisenstab.
Selbstorganisation zu COVID-19 Zeiten
Ende Februar Ă€nderte der erste bestĂ€tigte Corona Fall der Schweiz auch bei uns einiges. Umgehend kreierten wir eine Rolle, die sich um die Handhabung der sich anbahnenden Krise kĂŒmmert. Entstanden ist diese Rolle im "People Circle". Dieser Kreis hat den Zweck, eine gesunde Beziehungen zwischen Liip und Liipers sicherzustellen. Somit ist die Rolle dort angesiedelt wo es um das Wohl der Mitarbeitenden geht. Die Rolle heisst "Influenza Specialist". Die Aufgaben des âInfluenza Specialistâ werden stets den BedĂŒrfnissen der Organisation angepasst und erweitert â so kann sich die Rolle genau die AutoritĂ€t nehmen, die sie braucht um ihr Ziel â bei uns "Purpose" genannt â zu erfĂŒllen. Aus ursprĂŒnglich zwei Expert∗innen aus HR und Marketing und Kommunikation sind nach und nach Personen aus verschiedenen GeschĂ€ftsbereichen hinzugekommen. Aktuell haben neun Personen die Rolle inne. Jede Person mit einem anderen Fokus. Alle mit einem gemeinsamen Ziel: der Erhaltung der vitalen Prozesse des Unternehmens. Um diese Rolle zu unterstĂŒtzen â bei der logistischen Verteilung von HĂ€nde Desinfektionsmittel zum Beispiel - wurden an den fĂŒnf verschiedenen Standorten lokale Rollen geschaffen.Krisenstab the Liipway
Von einem Krisenstab ist die Rolle des "Influenza Specialist" nicht weit entfernt. Allerdings sind bei uns nicht die hierarchisch wichtigen Personen im Krisenstab, sondern diejenigen, die die nötige Expertise fĂŒr diese Herausforderung besitzen. Wie immer in der Selbstorganisation: Nicht die Position wĂ€hlt dabei die Personen aus, sondern gute Argumente. Dabei ist die Selbstorganisation so ausgelegt, dass dies alles sehr schnell funktioniert. Innert eines Monats wurden verschiedene Szenarien angedacht und umgesetzt. Das TagesgeschĂ€ft musste sich der neuen Marktsituation anpassen, die rechtlichen Grundlagen Ă€nderten sich fast tĂ€glich. In klassischen KrisenstĂ€ben sind dazu oft bereits PlĂ€ne und Szenarien vorhanden. Bei uns gab es kein vorgefertigtes Krisen-Set-up. SĂ€mtliche AktivitĂ€ten und Szenarien sind fĂŒr alle Mitarbeitenden transparent.
Weil alle abgeholt sind, haben alle Mitarbeitenden die Möglichkeit auch in anderen Rollen mitzudenken. So werden viele kreative Ideen erzeugt und verfolgt - das ganze Unternehmen hat damit "skin in the game".
Informierte Mitarbeitende zahlen sich aus
Ein wichtiger Bestandteil des Krisenmanagements ist die Kommunikation. Die Ăngste und das InformationsbedĂŒrfnis aller sind in den letzten Wochen klar gestiegen. Damit sich die Mitarbeitenden weiterhin voll auf ihre Arbeit konzentrieren können, mĂŒssen sie umfassend und kompetent informiert sein. Denn beruhigte Mitarbeitende sind starke und effiziente Mitarbeitende. Die Kommunikation zur Krise fand ĂŒber die Messenger-App Slack statt. Seit Februar wurden im #announcement Slack-Kanal 14 Push-Notifications geteilt. #announcement ist der Kanal, den alle Mitarbeitende abonniert haben und aus dem niemand austreten darf. ZusĂ€tzlich entstanden nach und nach weitere KanĂ€le zur Corona-Krise, in denen diskutiert und gefragt wird. So wurde #ask-corona fĂŒr Fragen rund um die Massnahmen erstellt. In #corona-diskussions wird öffentlich ĂŒber die Lage diskutiert. Unter #corona-childcare wurden die vielen Fragen unserer FamilienvĂ€ter und -mĂŒtter besprochen. Wie in anderen Organisationen wurde bei Liip eine interne Wiki-Seite mit mittlerweile 12 Unterseiten angelegt. Darin wurden die Regelungen und Massnahmen des Bundesrates kommuniziert, aber auch unternehmensspezifische Updates fanden Platz. Die Datenanalyse der Channels zeigt uns direkt, ob die Kommunikation die Mitarbeitenden auch erreicht.Kommunikation stĂ€rkt die Kultur
WĂ€hrend der ganzen Krisenkommunikation wird darauf geachtet, direkt nach der Pressekonferenz des Bundesrates zu kommunizieren. So können die Mitarbeitenden darauf vertrauen, nichts zu verpassen â und gleichzeitig ihrer Arbeit nachzugehen. Zu Beginn der Krise informierten die Updates primĂ€r ĂŒber die hygienischen Massnahmen und transportierten die Kampagne "so schĂŒtzen wir uns". In einer zweiten Phase folgten Informationen zu freiwilligem Home-Office welche kurze Zeit spĂ€ter in den Aufruf, zu Hause zu arbeiten wechselten. Diese proaktive Informationskultur hatte den Vorteil, dass die Mitarbeitenden frĂŒher als in anderen Organisationen zu Hause blieben. Sie haben schon frĂŒh gelernt, dass sie der Krisenkommunikation transparent, authentisch und schnell an alle Informationen gelangen. Diese Art der Kommunikation baut Vertrauen und LoyalitĂ€t auf. Die Mitarbeitenden spĂŒren das Engagement der Kommunikationsverantwortlichen und lernen, dass die Task-Force nicht alle Antworten kennt aber nichts zurĂŒckbehĂ€lt. Das gibt das Vertrauen, dass jede Lösung auch weiterentwickelt werden kann. Folglich konzentrieren sich die Personen in der Task-Force auf das Handling der Krise und alle anderen um ihren alltĂ€glichen Job. Das erhöht die ProduktivitĂ€t und das Vertrauen grundsĂ€tzlich â oder lĂ€sst beides nicht unnötig schwinden.
Digitalisierung jetzt erst recht
Als Digitalagentur mit fĂŒnf Standorten in der Schweiz sind Videokonferenzen und Slack als Chat Tool unser Standard Setup. Trotzdem lebt der BĂŒroalltag von physischem Austausch - an einer Brainstorming-Wall oder in einer klassischen Kaffeepause. All dies wurde wĂ€hrend der Coronakrise kurzerhand digitalisiert. Die Mitarbeitenden treffen sich zu virtuellen Kaffeepausen und ApĂ©ros, sogar Brainstormings mit bis zu 20 Leuten finden neu digital statt. Das hat sogar einen Vorteil: verstĂ€rkte standortĂŒbergreifende Interaktionen. Plötzlich sind alle dabei â nicht nur das BĂŒro ZĂŒrich, sondern auch St. Gallen oder Bern und es wird gemeinsam geplaudert. SelbstverstĂ€ndlich gibt es bei uns auch einen #thankyou Kanal in unserem Slack-Messenger. Nie zuvor wurde dieser Kanal reger benutzt. Dies zeigt, dass uns diese Krise noch nĂ€her zusammen bringt. Ăhnliches hören wir von unseren Kund∗innen. Sie danken uns fĂŒr unsere proaktive Kommunikation und das grosse Engagement.
Wir wissen nicht, was da noch alles auf uns zukommt. Wir wissen aber, dass wir zusammen stark sind â und dass Holacracy uns die Tools liefert, um fĂŒr die neue Welt parat zu sein.
Danke an Caroline und Sara fĂŒr den endlosen Support und Hannes fĂŒrs challengen dieses Themas.