Wenn wir an die Beziehung zwischen Agentur und Kunde denken, stellen wir uns in der Regel eine Paarbeziehung vor. Im besten Fall ist sie lang und glĂŒcklich, manchmal folgt aber auch eine Trennung kurz nach einem vielversprechenden Beginn. In manchen FĂ€llen trifft das tatsĂ€chlich zu – es gibt viele solcher Beispiele. Aber ich ziehe es vor, mir die Kundenbeziehung vielmehr als Vermittlung von Tools und Methoden vorzustellen, dank derer die Kund*innen nach und nach auf unsere Hilfe verzichten können.

Schluss mit AbhÀngigkeitsverhÀltnissen im Alltag

Einige unserer Erfolge waren das Ergebnis solcher zeitlich begrenzten Engagements und einer geplanten Trennung – ganz ohne zerbrochenes Geschirr. Wir entwickeln eine Web- oder eine mobile Plattform, deren operative Verwaltung im Anschluss durch Insourcing vom Kunden ĂŒbernommen wird. Das mag auf Agenturseite wie eine finanzielle Fehlkalkulation aussehen, doch die Erfahrung zeigt, dass bei diesem Vorgehen oft gesunde Kundenbeziehungen entstehen. Sobald die Grundlagen geschaffen sind, brauchen uns die Kund*innen nach einer gewissen Zeit nĂ€mlich nicht mehr tĂ€glich und ein internes Team ist auf Dauer auch effizienter (in finanzieller Hinsicht und in Bezug auf die Geschwindigkeit der internen AblĂ€ufe). Es gibt also keinen Grund, dass wir unsere Kund*innen von Tools abhĂ€ngig machen, bei denen sie dauernd auf unsere Hilfe angewiesen sind – umso mehr, weil wir vorzugsweise auf Open Source setzen.

Wir wollen unsere Kund*innen bei Bedarf unterstĂŒtzen und begleiten

Unsere Kund*innen kommen in der Regel aus guten GrĂŒnden zu uns zurĂŒck. Sei es, weil sie sich im Kreis drehen oder einen Fehler festgestellt haben, den es zu beheben gilt. Oder um ein Tool neu zu durchdenken, neue Funktionen hinzuzufĂŒgen oder sogar eine neue Website oder eine neue App zu entwickeln. Unsere Hilfe kann auch einfach darin bestehen, sie vorĂŒbergehend bei der BewĂ€ltigung einer stressigen Deadline zu unterstĂŒtzen, welche die Schaffung zusĂ€tzlicher interner Ressourcen nicht rechtfertigt.

Durch die Bereitstellung unseres breiten Kompetenzspektrums zur ErgĂ€nzung oder VerstĂ€rkung der internen Ressourcen oder unsere Aussensicht auf die Dinge, schaffen wir einen Mehrwert fĂŒr unsere Kund*innen. Gleichzeitig kennen wir die KundenbedĂŒrfnisse gut genug, um nicht immer wieder bei null anzufangen.

Beispiele – Urban Connect und OneDoc

Vor einigen Jahren hatten wir das VergnĂŒgen, fĂŒr Urban Connect zu arbeiten – eine Firma, die anderen Unternehmen eine Elektrovelo-Flotte zur VerfĂŒgung stellt. Das Flottenmanagement lief ĂŒber eine mobile App, deren Prototyp von einem Freelancer entwickelt worden war. Wir ĂŒbernahmen das Projekt und entwickelten eine besser skalierbare und nachhaltigere App, die auch ins Backoffice und die API eingreift. Dies geschah aus dem gemeinsamen Wunsch, auf Kundenseite eine schrittweise Autonomie zu ermöglichen. Wir unterstĂŒtzten Urban Connect auch bei der Rekrutierung von Mobile-Entwickler*innen. Nachdem wir sie einige Jahre begleitet haben, kĂŒmmert sie sich mittlerweile intern um die Verwaltung der App.

Ein weiteres Beispiel einer “erfolgreichen Trennung” ist OneDoc. OneDoc ist eine webbasierte und mobile App, welche die Vereinbarung von Arztterminen sowohl fĂŒr Patient*innen wie auch fĂŒr Ärzte/Ärztinnen erleichtert. Auch in diesem Fall trat das Unternehmen mit der Bitte an uns heran, es bei der Entwicklung einer Mobile App zu unterstĂŒtzen (eine Webplattform war bereits vorhanden). Unsere Teams lieferten eine erste funktionsfĂ€hige Version der App, die im Anschluss vom OneDoc-Entwicklerteam selbst verwaltet werden konnte. FĂŒr die Implementierung neuer Funktionen kam OneDoc jeweils wieder auf uns zurĂŒck. Dabei wurde das Unternehmen durch unsere UX-, Design- und Mobile-Entwicklerteams unterstĂŒtzt, da es selbst intern ĂŒber keine oder nur wenige Fachpersonen verfĂŒgt.

Insourcing oder Outsourcing? Das hÀngt vom Stellenwert der Digitalisierung im Unternehmen ab.

Insourcing muss nicht immer die beste Lösung fĂŒr die Kund*innen sein. Ich denke, ein wichtiger Faktor, den es bei dieser Entscheidung zu berĂŒcksichtigen gilt, ist der Stellenwert der Digitalisierung im Unternehmen. Wenn die Digitalisierung zum KerngeschĂ€ft deines Unternehmens gehört, lohnt es sich umso mehr, die internen Ressourcen auszubauen und das Outsourcing zu reduzieren.

Sowohl bei Urban Connect als auch bei OneDoc ist das der Fall. Die mobile App ist das HerzstĂŒck des Systems und die erste Kontaktstelle zwischen Nutzer*innen und Unternehmen. Daher war der Insourcing-Prozess mit einer schrittweisen Steigerung der Autonomie fĂŒr beide Unternehmen und auch fĂŒr uns sinnvoll. Es war uns eine Freude, das Wachstum dieser beiden Start-ups zu begleiten. Diese beiden Vögelchen haben mittlerweile ihr Nest verlassen und sind flĂŒgge geworden. Aber funktioniert das auch bei Ottern?

QoQa ist mit uns agil geworden

In der Westschweiz kennt jeder die Online-Verkaufsplattform QoQa und ihre Community von tausend "Ottern", wie sie genannt werden. Das Start-up ist inzwischen zu einem wichtigen Akteur im Bereich Onlinehandel geworden und sorgt oft mit ausgefallenen Angeboten und/oder unschlagbaren Preisen fĂŒr Aufsehen.

Vor ein paar Jahren erhielten wir einen Anruf von QoQa, weil das Unternehmen alle seine Websites und mobilen Apps ĂŒberarbeiten wollte. Sie brauchten einen Partner, der ihnen nicht nur technologisches, sondern auch methodisches Know-how zur VerfĂŒgung stellen konnte. Sprich – unsere Zusammenarbeit bestand darin, QoQa beim Übergang zu agilen Methoden und Tools zu begleiten. Statt zu Beginn auf grosse Theorien zu setzen, gingen wir rasch zur Praxis ĂŒber. Wir nahmen drei QoQa Mitarbeiter fĂŒr sechs Monate in unseren BĂŒros auf, um ihnen zu zeigen, wie man AgilitĂ€t im Alltag lebt, und sie auf ihrer neuen Technologieplattform zu coachen. Ein Jahr spĂ€ter wiederholten wir dieses Vorgehen bei der Arbeit an der Mobile-App. Schliesslich halfen wir ihnen dabei, erst einen, spĂ€ter dann zwei Entwickler fĂŒr mobile Apps einzustellen, und leisteten ab dann nur noch Support.

Unser Wirken war damit aber noch nicht zu Ende. QoQa ging nĂ€mlich noch weiter und fĂŒhrte das Holacracy-Modell ein, zu dessen Vorreitern wir in der Schweiz gehört haben. Ich bin sehr stolz auf diese Entscheidung – es ist ein bisschen so, wie wenn man einem seiner besten Freunde erzĂ€hlt, wie man dank einer bestimmten Technik wieder mit Sport begonnen hat, und er dann zugunsten seiner eigenen Gesundheit denselben Weg einschlĂ€gt.