Da ich schon seit der ersten Ausgabe im Jahr 2019 an den Energy Data Hack Days teilnehme, zähle ich dort zweifellos zu den „Veteraninnen“. Diese jährliche Veranstaltung bringt in Brugg Datenbegeisterte und Energieexpert*innen zusammen. Letztere bringen ihre drängendsten Herausforderungen rund um die Energiewende mit. Um jedes “Challenge” herum bilden sich Teams, die mögliche Lösungen erforschen, indem sie auf reale Daten gestützte Prototypen entwickeln.

Strom dekarbonisieren, dezentralisieren und digitalisieren

In diesem Jahr stand die Notwendigkeit, den Stromverbrauch und die Stromproduktion besser vorherzusehen, im Mittelpunkt. Die Elektrifizierung und der Übergang zu erneuerbaren Stromquellen sind derzeit zentrale Punkte unserer Strategie zur Reduzierung des CO₂-Fussabdrucks. Aber 250.000 Photovoltaikanlagen mit sehr schwankender Produktion fügen unseren 1500 Wasserkraftwerken und einer Handvoll Atomkraftwerken eine enorme Komplexität hinzu. Da das Stromnetz immer im Gleichgewicht sein muss, brauchen alle Akteur*innen möglichst genaue Vorhersagen. Nur so sind sie in der Lage, die Kosten zu kontrollieren und die Netzstabilität zu garantieren. BKW, Swissgrid und das BFE haben uns Challenges rund um diese Problematik gestellt.

Unnötigen Verbrauch reduzieren

Zur Dekarbonisierung reicht es nicht aus, lediglich unsere Energie aus anderen Quellen zu beziehen. Wir müssen auch unseren Verbrauch reduzieren. Dieses Jahr nahm ich an der von Primeo Energy gestelltem Challenge teil: das Ziel war, in ihrem Vertriebsnetz Haushalte mit Elektrogeräten zu identifizieren, die zu viel Strom verbrauchen. Einmal identifiziert bestand die nächste Aufgabe darin, diese Haushalte dazu zu bringen, ihre Geräte, wie z. B. einen alten Kühlschrank, durch ein neues, viel sparsameres Modell zu ersetzen.

Um ein Gerät mit zu hohem Stromverbrauch im Verbrauchsprofil eines Haushalts identifizieren zu können, muss man zunächst den typischen Energie-Fussabdruck dieses Geräts kennen. Deswegen erhielt das Team Rohdaten von 38'680 Kühlschränken aus der EPREL-Datenbank. Die relevantesten Felder umfassten die Modell-ID, das Volumen, den jährlichen Verbrauch in kWh und das Datum der Markteinführung. Die Kühlschränke wurden anschliessend nach Volumen gruppiert, um den durchschnittlichen jährlichen Energieverbrauch zu berechnen. Es gab jedoch nicht genügend Daten für Modelle, die vor 2020 auf den Markt kamen. Dieser Mangel wurde durch eine lineare Extrapolation gemildert, so konnten wir die Durchschnittswerte in Fällen mit unzureichenden Daten schätzen.

Technische sowie wirtschaftliche und ergonomische Machbarkeit

Um eine Wirkung zu erzielen, müssen wir aber nicht nur Haushalte mit einem guten Stromsparpotenzial identifizieren. Man muss auch in der Lage sein, die Hausbesitzer*innen zum Handeln zu bewegen. Ein Teil der Gruppe machte sich daher daran, die Wohnsituation der Schweizer Haushalte genauer zu verstehen. Im Jahr 2022 lebten nur 36% der Haushalte (1,4 Millionen) in ihren eigenen vier Wänden, während 2,4 Millionen Haushalte in Mietobjekten wohnten, von denen 60-70% von Immobilienverwaltungen betreut wurden. Wenn die Mietpartei ihren Kühlschrank ersetzen möchte, muss sie die Zustimmung der Hausverwaltung einholen. Es ist daher wichtig, einen Weg zu finden, die Hausverwaltungen zu motivieren, diesen Übergang durch Investitionen in neue, effizientere Geräte zu unterstützen, obwohl es die Mietenden sind, die von den niedrigeren Stromrechnungen profitieren. Anhand der ESG-Berichte der Unternehmen sowie der Anreize von Energieversorgern und Gemeinden zur Verbesserung der Energieeffizienz entwarfen wir mögliche Lösungen.

Das Team hat auch einen ersten Prototyp einer Schnittstelle erstellt, mit der man unkompliziert die Energieeffizienz eines Gerätes bewerten kann. Man scannt zuerst entweder das Handbuch des Kühlschranks oder macht ein Foto des Geräts. Die mit einer KI ausgestattete Anwendung analysiert anschliessend diese Daten, um die Bewertung zu erstellen. Diese Informationen werden dann den Hausverwaltungen zur Verfügung gestellt, sodass diese einfach beurteilen können, ob veraltete Geräte zur Verbesserung der Energieeffizienz ausgetauscht werden müssen.

Liips Beitrag zur Energiewende

Für Liip ist dieser Anlass eine hervorragende Gelegenheit, sich mit Fachleuten aus dem Energiesektor über konkrete Fälle auszutauschen und gleichzeitig unser Engagement für die Energiewende zu stärken. Unser positiver Einfluss auf das Nachhaltigsziel #7 soll stetig erhöht werden, indem wir Lösungen wie zum Beispiel ergonomische Schnittstellen für Haushalte oder Datenplattformen auf der Grundlage offener Technologien anbieten. Als Expertin für Geschäftsmodelle rund um Datentechnologien habe ich dazu beigetragen, die Tragfähigkeit unseres Anwendungsfalls zu verbessern. So wurden die Erfolgsaussichten des Prototyps, der bei den Energy Data Hack Days entwickelt wurde, erhöht. Mein Ziel ist klar: Unser Fachwissen in den Dienst der Energiebranche zu stellen, um die Energiewende zu beschleunigen.