Ende 2017 initiierte GILAI ein Grossprojekt: die Neugestaltung der Fachanwendung für das Management der Invalidenversicherung (IV). Man beschloss, dieses Projekt mit Scrum, einer Methode der Agilen Software-Entwicklung, durchzuführen. Liip hat GILAI acht Monate lang begleitet. In diesem Zeitraum reichten insgesamt zehn Arbeitstage aus, um alle Beteiligten und Nutzer der neuen Version der Fachanwendung Web@AI an den Agilen Ansatz heranzuführen. Auch bei der Projektleitung und der Formalisierung der Anforderungen bot Liip Unterstützung.

Sandro Lensi, Leiter Technologie, Infrastruktur und Informationssysteme bei GILAI und Projektleiter Web@AI 3.0, reflektiert über diese ersten Erfahrungen mit Agiler Software-Entwicklung.

Liip: Was ist GILAI?

Sandro Lensi: GILAI ist der Verein für den Bereich Informatik der Invalidenversicherung (IV) von zwanzig Schweizer Kantonen und Liechtenstein. Durch die Bereitstellung gemeinsamer IT-Systeme unterstützt GILAI die IV-Stellen bei ihren Aufgaben laut Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG). Das Management-ERP Web@AI ist eines dieser Systeme.

Welche Rolle spielen Sie beim Redesign der Web@AI-Plattform?

Ich leite alle Aktivitäten, einschliesslich der Vertretung auf Ebene des Lenkungsausschusses (Verwaltungsrat), das Project Management Office sowie das Fachteam (bei GILAI) und das Entwicklungsteam (beim Lösungsanbieter). Ziel war es, diese verschiedenen Interessengruppen mit unterschiedlichen Fähigkeiten in einem einzigen Team zusammenzuführen.

In welchem Kontext haben Sie Liip Ende 2017 kontaktiert?

Das Projekt Web@AI 3.0 war auf eine Dauer von zwei Jahren ausgelegt. Wir wollten es auf eine andere Art und Weise anzugehen.

Die traditionellen Methoden des Projektmanagements und der Anwendungsentwicklung schienen uns nicht ideal zu sein. Es dauerte oft geraume Zeit, bis erste Resultate vorlagen, und die entsprachen dann manchmal nicht – oder nicht mehr – den anfänglichen Erwartungen. Wir tendierten daher schon sehr bald zu einem Agilen Ansatz.

Da wir aber in diesem Bereich keine praktische Erfahrung hatten, wollten wir uns begleiten lassen. Eine simple Google-Suche nach «agile Entwicklung» führte uns zu eurem Blogpost L’agilité chez QoQa: interview avec Joann Dobler. Obwohl unsere Märkte sich stark unterscheiden, haben wir doch Ähnlichkeiten zwischen dem Projekt von QoQa und dem unseren festgestellt – vor allem den sehr dynamischen Aspekt. Uns gefiel die Möglichkeit, sehr schnell und oft Resultate zu sehen. Das würde es uns erlauben, dieses Grossprojekt besser zu steuern und seine Entwicklung von innen mitzuverfolgen. Also wandten wir uns an Liip. Wir waren sofort auf einer Wellenlänge. Nach dem ersten Treffen wussten wir, dass wir mit Liip zusammenarbeiten wollten.

Warum haben Sie sich für Liip entschieden? Was genau hat Sie überzeugt?

Während des ersten Treffens tauchten wir in das Liip-Universum ein. Wir spürten, dass der Agile Ansatz in jeder Hinsicht und zu jeder Zeit gelebt wird. Wir hatten den Eindruck, dass Sie wirklich wissen, was es bedeutet, nach der Agile-Methode zu arbeiten, dass Sie über die Erfahrung und das Fachwissen verfügen – und dass Sie uns nicht einfach ein theoretisches Konzept verkaufen wollten.

Wir wünschten uns einen pragmatischen Ansatz, und genau das haben wir bei Liip gefunden.

Wie war dieses Agile-Coaching aufgebaut?

In einer ersten, sehr offenen Sitzung haben wir erklärt, wie wir arbeiten. Wir wollten vom klassischen Projektmanagement zu einer Agilen Arbeitsweise übergehen. Das Coaching konzentrierte sich zunächst auf GILAI als Product Owner, also auf unsere interne Arbeitsweise. Das Coaching umfasste aber auch das externe Entwicklungsteam unseres Lösungsanbieters. Ziel war es, ein einziges Projektteam zu bilden.

Wir wollten nicht mehr in Silos arbeiten. Zudem wollten wir auch die Kommunikation zwischen diesen verschiedenen Akteuren effektiver und transparenter gestalten. Und das Coaching war erfolgreich.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Coachings war die Schulung. Alle am Projekt Beteiligten sollten Agilität verstehen. Auch die Superuser der künftigen Plattform (die Fachexperten) und die Mitarbeitenden des GILAI-Operationszentrums wurden im Agile-Ansatz und in Design Thinking geschult. Dadurch konnten wir uns noch stärker zu einem einzigen Team zusammenschliessen, das sich in einem Agilen Rahmen weiterentwickelt. Dieses Vorgehen hat Früchte getragen.

Wir konnten feststellen, dass die Benutzerzufriedenheit nach der Einführung des Agilen Ansatzes gewachsen ist.

Wie sieht es jetzt aus, nach acht Monaten Agile-Coaching?

Das Projekt läuft wirklich gut. Der Agile-Prozess wird von den Beteiligten gut verstanden, gelebt und beherrscht. Wir haben einen Reifegrad erreicht, der es uns ermöglicht, das für Web@AI 3.0 gesetzte Ziel zu erreichen.
Die erste Support-Phase ist abgeschlossen. In ein paar Monaten sind aber «Auffrischungen» mit Liip geplant, zum Beispiel ein spezifisches Coaching zu den Rollen Product Owner und Scrum Master.

Wie hat GILAI von der Begleitung durch Liip profitiert? Konnte Liip etwas beitragen, das ein «traditioneller» Berater nicht hätte anbieten können?

Liip hat für einen starken Praxisbezug gesorgt, da der Agile Ansatz bei Liip wirklich gelebt und täglich angewandt wird.

Etwas Gleichwertiges hätten wir, glaube ich, bei keinem anderen Anbieter gefunden.

Liip brachte neben fundiertem Fachwissen auch eine starke Motivation und grosses Engagement mit. Auch die Tatsache, dass der Ansatz nicht (nur) kommerziell ist, hat uns sehr gefallen. Wir hatten von Anfang an ein gutes Gefühl, und wir haben uns nicht getäuscht.

Ist die Agile-Methode für jede Branche geeignet?

Ja, ich bin überzeugt, dass jedes Projekt und jeder betriebliche Vorgang aus der Agile-Perspektive bearbeitet werden kann. Als Unternehmen im Dienste der Invalidenversicherung muss GILAI innovative Lösungen zur Leistungsoptimierung und Kostensenkung fördern. Ein Agiler Ansatz ist daher aktuell und durchaus umsetzbar.

Wir sind der Beweis dafür. Wir haben das sogar in einem gemischten öffentlichen und privaten Umfeld (GILAI und unser Softwarehersteller) erfolgreich realisiert. Wenn es darum geht, die Entwicklung zu optimieren und effizienter zu gestalten, drängt sich die Arbeit mit neuen Methoden wie Agilität auf – ganz unabhängig von der Branche.

Derzeit verwenden wir bei GILAI den Agilen Ansatz innerhalb der Projekt- und Business-Intelligence-Teams. Im Bereich Infrastruktur- und IT-Service kommt er (noch) nicht zur Anwendung. Ich würde den Ansatz aber sehr gern auch in diesem Team ausprobieren, weil ich denke, das es möglich ist und Mehrwert bringen würde.

Was hat Ihnen die Begleitung durch Liip persönlich gebracht?

Ich habe eine neue, sehr viel aktivere und dynamischere Arbeitsweise entdeckt, die eine viel stärkeren Bezug zur Praxis hat. Für meinen Arbeitsalltag ist das ein wichtiger Aspekt. Ich konnte mich dadurch stärker in das Projekt einbringen und war sehr viel näher an den Bedürfnissen der Menschen, die die Fachanwendung schliesslich nutzen werden. Ich hatte auch das Gefühl, einen wertvolleren Beitrag leisten zu können. Ich möchte und könnte nicht mehr zu einer traditionellen Methode zurückkehren. Der Agile Ansatz spart Zeit und ermöglicht ein präziseres Management bei der Zielerreichung. Die Bereitstellung der neuen Plattform in den IV-Stellen wird ebenfalls Agil erfolgen.