Veröffentlicht in: Schweizer ICT – Jahrbuch 2016

IT-Systeme begegnen uns heute überall in den verschiedensten Formen: Smartphones, Wearables, RFID-Chips und andere Applikationen begleiten uns und übertragen Daten. Welche Möglichkeiten ergeben sich daraus für das Gesundheitssystem?

In den letzten Jahren sind immer mehr Wearables auf den Markt gekommen. Fitnesstracker nehmen die Anzahl Schritte auf und melden sich, wenn man sich zu lange nicht bewegte. Ausser diesem Tracking machen Smartwatches heute das gleiche wie ein Smartphone, nur auf einem kleineren Gerät. So bietet etwa Swatch bald Mobile Payment auf ihren smarten Uhren an.

Breite Anwendung finden Wearables heute vor allem im Sportbereich, wo man seine Laufzeit. Schritte, Höhenmeter und Kilometer aufzeichnet, vergleicht und weiter analysiert. Trotz der guten Verkaufsraten von Fitnesstrackern ist die tatsächliche Nutzung nicht so hoch wie gewünscht. Ein anderes bekanntes Produkt. Google Glass, wurde in der Zwischenzeit eingestellt. Gerüchten zufolge wird zwar an einer zweiten Version gearbeitet, deren Anwendungsbereich im alltäglichen Leben ist trotzdem nicht ganz ersichtlich. Sind also Wearables doch nicht interessant genug, um deren Nutzung zu gewährleisten?

Möglichkeiten im Gesundheitsbereich

Viel diskutiert wird die Anwendung der Wearables im Gesundheitsbereich. Kritische Stimmen gehen aber davon aus, dass die Wearables missbraucht werden könnten, um Menschen zu erziehen: Wer nicht genügend Schritte pro Tag macht, dem droht eine Prämienerhöhung.

Keine Frage: Die Ethik im Umgang mit Wearables muss diskutiert werden. Jedoch dürfen wir die Vorteile von Wearables nicht aus den Augen verlieren. Heutige Lösungen können bereits viel, neue Produkte wie das biometrische Tattoo könnten aber noch viel weiter gehen und detailliertere Körperdaten aufzeichnen. Zusammen mit Novartis forscht Google an einer Linse, die Diabetes-Betroffenen das Leben einfacher machen soll, indem der Blutzuckerspiegel viel diskreter gemessen werden kann als bisher. Beide Produkte würden noch einen Schritt weiter in der Technisierung des Lebens gehen – und beide sind deutlich unauffälliger als heutige medizinische Lösungen.

Bessere Patientenbetreuung

Die medizinische Forschung der letzten 100 Jahre hat grosse Fortschritte gemacht. Im Gesundheitsbereich wird aber nach wie vor auf Heilung anstatt Prävention gesetzt, eine individuelle Analyse der Person und ihres Umfeldes findet häufig nur oberflächlich statt. Dabei verbringen Personen in Therapien vielleicht ein Prozent ihrer Zeit mit Spezialisten. In den restlichen 99 Prozent ihrer Zeit ist ihre Eigenverantwortung gefragt. Manche Krankheitsbilder erfordern, dass der Patient ein Tagebuch führt und seinen Tagesablauf aufzeichnet, damit der Arzt ein Gesamtbild der Therapie oder des Krankheitsverlaufs erhält. Das ist mühsam und oft ungenau. Denn werweiss schon wirklich, wie gut er geschlafen hat? Gerade Stress und Schlaf sind wichtige Indikatoren für die eigene Gesundheit.

Zugelassene Medikamente werden in klinischen Studien geprüft. Diese werden überwacht und widerspiegeln nicht wirklich die Realität, in der ein Patient mit sehr vielen Einflüssen in Kontakt kommt. Nebenwirkungen sind häufig ein Problem und eigentlich sollten Patienten diese so schnell wie möglich melden. Aber auch dies ist aufwändig. Wie wollen wir also erfahren, welchen Einfluss die Ernährung in Zusammenhang mit Medikamenten und Lebensstil wirklich hat?

Heutige Wearables und kommende Produkte bieten die Möglichkeit, Vitalzeichen aufzuzeichnen – und dies unauffällig, denn als krank will niemand gelten. Durch die Aufzeichnung möglichst vieler Daten und den Einbezug des gesamten Lebens kann der behandelnde Arzt ein viel besseres Bild eines Menschen und seines Lebens bekommen. Nicht alle Therapien funktionieren bei jedem Menschen. Gerade bei chronischen Krankheiten müssen Patienten auch für sich selbst herausfinden, was am besten zu ihnen selbst passt. Der Einfluss von Sport und Ernährung wird zwar häufig erwähnt, aber wirklich Daten dazu gibt es nicht. In der Schulmedizin wird die Individualität häufig als nicht wichtig genug erachtet. Was für den einen funktioniert, soll auch für alle anderen die Lösung sein, ist häufig die Meinung. Dabei liegt in anderen Branchen der Fokus mehr und mehr auf dem Kunden, und die Personalisierung und Individualisierung der Angebote sind Teil der Strategie.

Einfluss der Daten

Die Forschung erwartet von einer Aufzeichnung der Daten eine Verbesserung der Lebenssituation. Menschen mit einer chronischen Krankheit können vermehrt die Kontrolle übernehmen und Ärzte wissen besser, wie ihre Patienten mit der Krankheit leben. Wichtige Indikatoren für eine Früherkennung von Symptomen zu einer besseren Heilung oder gar Verhinderung von Krankheiten.

Es ist noch einiges an Forschung nötig, damit heutige Technologien im Gesundheitsbereich zu Massenprodukten werden können. Gleichzeitig darf der Tenor nicht zur Überwachung gehen, sondern muss Unterstützung. Forschung und Prävention fokussieren. Die Ethik spielt dabei eine grosse Rolle. Medizinische Daten eines Menschen verraten sehr viel. Es muss also sichergestellt werden, dass diese nicht zu negativen Konsequenzen in Bezug auf das eigene Leben führen. Die Verantwortung muss klar definiert und das Teilen von Daten so klein wie möglich gehalten werden. Damit dies überhaupt möglich wird, muss Vertrauen in die Datensicherheit aufgebaut werden. Oft helfen hier Gesetze weiter.

Und wer weiss, was wir alles aus diesen Daten lernen können? Es ist gut möglich, dass in den gesammelten Informationen von Millionen von Menschen Wissen verborgen liegt, das wir heute noch nicht haben. Diese Informationen können zu neuen Erkenntnissen reifen und zu neuen Ansätzen in den Bereichen Forschung und Entwicklung führen. Der Einsatz von digitalen Produkten in der heutigen Gesundheitsindustrie ist noch viel zu klein. Die kommenden Jahre werden neue Produkte herausbringen, die eine noch breitere Aufzeichnung und Analyse von Daten erlauben.

Von generell zu persönlich

Was also, wenn die Gesundheitsbranche neue Services anbieten würde? Der Mensch wird in der Industrie häufig ignoriert, die eigentlichen Kunden sind Ärzte, Krankenkassen und Verbände. Mit neuen Services hätte die Pharmaindustrie eine Möglichkeit, näher bei den eigentlichen Konsumenten zu sein. Durch die Fokussierungauf den Menschen könnte auch Vertrauen zu Kunden, beziehungsweise Patienten, leichter aufgebaut werden.

Ob ein Patient gesund wird oder nicht, hängt auch sehr stark von ihm selbst ab. Die heutige Informationsasymmetrie im Gesundheitssystem geht in beide Richtungen. Durch den Einsatz von Wearables können Therapien viel effizienter gestaltet werden und ein angenehmeres Leben ermöglichen.