Ich kam an einem Punkt an in meinem Leben, wo ich eine Entscheidung treffen musste. Es war kurz vor August 2015 und ich hatte trotz einer vielzahl von Schnupperlehren und Vorstellungsgespräch keine Lehrstelle erhalten.

Ich war richtig enttäuscht und hatte absolut keine Motivation mehr. Obwohl ich unbedingt eine Lehre als Kauffrau machen wollte, kamen immer dieselben Absageschreiben: “Sie sind zu schüchtern.” und “Sie werden überfordert sein in unserer Unternehmung.”

Ich stand also vor der Frage, was ich nach meiner obligatorischen Schulzeit machen soll und entschied ich mich widerwillig, die Handelsmittelschule zu besuchen.

Nach zwei Monaten wusste ich bereits, dass die Handelsschule überhaupt nichts für mich ist. Ich bin zwar gut und fleissig in der Schule, aber ich habe eine Herausforderung gesucht.

So begab ich mich erneut auf Lehrstellensuche. Mein Orientierungsschul-Lehrer hatte sich bereit erklärt, noch ein weiteres Jahr meine Referenz zu sein. Ich suchte auf verschiedenen Internetplattformen nach Lehrstellen und stiess dabei auf Liip. Sofort habe ich mich beworben.

Wie bereits bei vielen Lehrstellen vorher wurde ich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und durfte zwei Tage lang schnuppern. Doch etwas war anders: Denn obwohl ich nicht damit gerechnet hatte, bekam ich die Lehrstelle.

Mein Lehrbetrieb: Liip

Liip? Wie schreibt man das? Noch nie davon gehört!

Das waren die häufigsten Reaktionen, als ich meinen Verwandten und Freunden von meiner Lehrstelle erzählte. Nun ehrlich gesagt, ich kannte die Firma zuvor auch nicht und ich hätte niemals damit gerechnet, dass eine Firma so kompliziert aufgebaut sein kann!

Liip ist eine Agentur, die Websites und Apps für Grossunternehmen und KMU erstellt, wie zum Beispiel das Tastaturprogramm von SKV, die App Fairtiq von TPF oder die Website der Mobiliar. Sie bietet die ganze Bandbreite von E-Learning bis E-Commerce. Damit Liip stets in der Nähe seiner Kunden ist, hat das Unternehmen Büros in Lausanne, Fribourg, Bern, Zürich und St. Gallen. Liip hat dank seiner Erfahrung und Wissensbegierde auch schon ein paar Preise gewonnen.

Die Atmosphäre bei Liip ist sehr familiär, jeder duzt sich. Ich fühlte mich willkommen und es macht mir grossen Spass dort zu arbeiten. Ausserdem haben wir keinen Chef – wir sind in Circles aufgebaut. Jeder hat dabei seine Rolle. Diese Struktur nennt sich Holacracy und ist sehr kompliziert. Zudem ist Liip eine gesellschaftliche und soziale Firma. Sie ermöglicht den Mitarbeitenden teilzeit zu Arbeiten. Alle Mitarbeitende erhalten von Liip ein Halbtax und unternehmen Geschäftsreisen, wenn immer möglich mit dem Zug.

Die Berufsschule

Zur Ausbildung als Kauffrau im Profil E gehören zwei Tage Berufsschule pro Woche. Die Schule ist interessant und sehr lehrreich, wenn auch sehr streng.

Im Betrieb habe ich jedes Semester jeweils eine Arbeits- und Lernsituation (ALS), bei der mein Verhalten und wie ich meine Arbeiten erledige bewertet wird. Ich fühlte mich während einer ALS immer sehr beobachtet, auch wenn ich wohl nur halb so viel beobachtet wurde wie ich es empfinde. Bei jeder Unsicherheit und jedem Fehler erwarte ich gleich, dass meine Berufsbildnerin hinter mir steht und mich kritisiert.

Neben der ALS gibt es in den betrieblichen Noten auch eine Prozesseinheit (PE). Diese fand ich sehr anspruchsvoll und zeitaufwändig. Obwohl ich 15 Stunden von meiner Arbeitszeit in die PE investieren konnte, kam ich nicht zu einem Ende. Der Kurzbericht und die Beilagen fand ich am einfachsten, da ich einfach drauf losschreiben und es einfach wieder verbessern konnte. Das Flussdiagramm macht viel Arbeit, da es möglichst gut positioniert und die Teilschritte  für einen Aussenstehenden verständlich beschriftet sein müssen.

Theorie und Praxis

Mein Problem dabei ist, dass ich eigentlich wüsste wie der Prozess geht, es aber nicht zu Papier kriegte. Ich habe versucht, mir wirklich genau zu überdenken, was ich Schritt für Schritt mache und kam dadurch recht gut vorwärts, dann habe ich noch ein Mindmap erstellt, was mir etwas geholfen hat.

Damit ich das Thema Kasse gut für meine PE umsetzen kann, bearbeite ich diese momentan intensiv und grösstenteils selbstständig. Dies gefällt mir sehr gut, da ich mich immer schon für Geld interessiert habe und zeigen kann, wie gut ich Aufgaben selbstständig erledige. Ich finde dies eine schöne Verantwortung und versuche diese möglichst gut wahrzunehmen.

Um die Begriffe PE und ALS zu Verstehen und zu wissen, was genau von uns Lernenden erwartet wird, besuche ich die überbetrieblichen Kurse, bei mir finden diese in Fribourg statt. Ausser zur PE und ALS lerne ich viel über die Wirtschaft und die Betriebe. Ich empfinde diese ÜK als nicht besonders interessant, aber sie gehören zur Allgemeinbildung einer Kauffrau dazu.

Die meiste Zeit meiner Ausbildung verbringe ich jedoch im Büro und erledige diverse Aufgaben.

Meine Aufgaben in der Lehre als Kauffrau

Um in unser Büro in Fribourg zu gelangen nehme ich den Zug von Cressier nach Fribourg. In Fribourg angekommen führt mein Weg zum Büro über unser Postfach.

Im Büro angekommen lege ich die Zeitungen auf den Tisch und öffne die Briefe. Wenn es Rechnungen dabei hat, mache ich einen Stempel mit dem aktuellen Datum darauf und lege sie der verantwortlichen Person in das “Fächli”.

Neben der Post nehme ich die meisten Telefone ab. Telefonieren finde ich etwas vom schwersten. Ich finde es klingt so einfach, aber für mich ist es stressig, die erste Person zu sein, welche die Anrufer hören. Vor lauter Nervosität, vergesse ich oftmals den Namen aufzuschreiben oder verstehe ihn trotz mehrfacher Wiederholung nicht. Am allerschwersten finde ich aber zu wissen, wie ich auf die jeweiligen Wünsche reagieren soll.

Ich habe einmal den Tipp bekommen, dass Lächeln beim telefonieren hilft. Nur ist das einfacher gesagt als getan! Obwohl ich die Möglichkeit mag, die verschiedenen Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch) am Telefon anwenden zu können, bin ich so aufgeregt, dass ich nie daran denke – und somit auch vergesse zu lächeln.

Die Bewerbungen – oder ein Blick zurück

Zu Beginn meiner Lehrzeit bearbeitete ich die Bewerbungen für Lehrstellen und versendete jeweils eine Empfangsbestätigung. Momentan sind wir jedoch daran, diesen Prozess zu überarbeiten und zu vereinfachen, weshalb ich nicht mehr im Prozess mitarbeite.

Das interessanteste war es immer, die Multicheck Aufsätze mit den Motivationsschreiben zu vergleichen, denn die Motivationsschreiben enthalten selten Rechtschreibfehler, was auch gut ist. Der Multicheck Aufsatz enthält meistens einige Fehler, da die meisten bei solchen Test nervös sind und die Zeit knapp berechnet ist.

Damals bei meinem Aufsatz hatte ich alle Kommas vergessen und beinahe alle Wörter klein geschrieben.

Allgemein finde ich es sehr schwierig auf Deutsch zu schreiben, da ich erst ab der Oberstufe in die deutsche Schule ging – die Primarschule habe ich auf Französisch gemacht.

Aller Anfang ist schwer

Auch wenn der Anfang meiner Lehre etwas schwer war, lernte ich früh mit verschiedenen Personen zu arbeiten. Denn ich hatte drei Berufsbildnerinnen in drei Monaten, was eine Herausforderung war. Ich lernte früh mit verschiedenen Personen zusammenzuarbeiten. Es ist gar nicht so einfach, da es dabei zu unterschiedlichen Meinungen kommen kann. So hat zum Beispiel, meine erste Berufsbildnerin gesagt ich solle den Kunden fragen: “Möchten Sie etwas trinken?”. Das habe ich dann so gemacht, bis man mich an einem Gespräch mit der nächsten Berufsbildnerin fragte warum ich den Kunden ein Kaffee anbiete.

Doch trotz aller Startschwierigkeiten, lernte ich ebenfalls mit anderen Standorten zusammen zu arbeiten. Die Arbeit mit anderen Standorten macht grossen Spass, auch wenn es nicht immer sehr einfach ist. Es ist viel komplizierter als erwartet, da ich niemand habe der mir über die Schultern schauen kann. Die ganzen Aufträge können auch nicht so schnell gelöst werden, da ich es zur Kontrolle via Mail schicken muss und nicht einfach schnell der Person zeigen kann.

Die Tücken des Reisens

Ich finde es toll die Möglichkeit zu erhalten, an verschiedene Standorte von Liip zu reisen und dort die anderen Lernenden kennen zu lernen. Obwohl, als ich das erste mal nach Bern gehen sollte, habe ich mich in das falsche Tram gesetzt und mich in Bern total verloren. Das war mir so peinlich, denn ich musste im Büro anrufen und kam eine halbe Stunde zu spät ins Büro. Dann am Abend als ich nach Hause ging, fragte mich jemand, ob  ich den Weg zum Bahnhof alleine finde. Ich habe ihn zum Glück gefunden 😉

Das Büro in Zürich habe ich ohne Probleme gefunden, ausser einmal als ich die falsche Bahnhofs Treppe erwischte. Ich bin dann von Strasse zu Strasse gelaufen, irgendwie sahen alle gleich aus, ich hatte das Gefühl, fünfmal am selben Ort vorbei zu gehen. Also habe ich mein Handy genommen und versucht, mich zu orientieren. Und dies funktionierte auch, ich musste zwar noch gefühlte 10 Minuten durch Zürich laufen, habe aber dann das Büro gefunden.

Auch diesen Blogpost zu schreiben gehört zu meiner Ausbildung. Ich finde es toll, dass ich die Zeit habe, daran zu arbeiten. Denn ich hätte nie gedacht, dass es beim Blog Post schreiben so viel zu beachten gibt, es ist richtig kompliziert!

Trotz der vielzahl an Herausforderungen, welcher dieser Blogpost mit sich brachte war es eine interessante Erfahrung und ein gutes Projekt. Ich hatte die Möglichkeit, viel dazu zu lernen und mich mit meinem letzten halben Jahr auseinander zu setzen.