Innovation ist teuer. Wir können uns nicht auf Bestehendes, Bewährtes oder Bekanntes stützen. Es verschlingt viel Budget. Doch wir wollen nicht (nur) über das Monetäre sprechen, sondern über das, was uns Innovation auf der emotionalen Ebene abverlangt. Unser Beispiel zeigt, was wir gemacht und versäumt haben. Woran wir fast gescheitert aber am Ende gewachsen sind.

Beginnen wir mit unserer Geschichte am Anfang. Mit der Idee. Wir wollten etwas komplett Neues entwickeln. Einen Ort, der junge Tech-Talente und angesagte ICT-Firmen sowie Institutionen verbindet. Keine Job-Plattform, sonder eine Art smartes «Tinder» für zwei, die sich finden sollen. So entstand Matchd.

«Von Anfang an verfolgten wir die Vision einer innovativen Community-Plattform, die eben kein gewöhnliches Stellenportal ist und die den User*innen Interaktion ermöglicht. So entstand die Idee zu Matchd, einer skillbasierten Kennenlernplattform».
Jasmin Aubry, Projektleiterin Matchd

Das Grobkonzept testeten wir mit Hilfe eines Papier-Prototypen und mit vielversprechendem Feedback. Entsprechend euphorisch nahmen wir mit einem hochmotivierten Team den zweiten Teil, die Entwicklung der Web-App in Angriff. Der erste Stolperstein auf unserem Weg war die Corona bedingte Arbeit von zu Hause aus. Es fehlte uns die Art von Kommunikation, die dann stattfindet, wenn man zusammen im gleichen Zimmer sitzt. Die Online-Sitzungen fühlten sich künstlich an und das Finden von Lösungen erforderte mehr Energie und Fokus als zuvor. Und natürlich fehlte uns auch das gemeinsame Feierabend-Bier und das damit verbundene zwanglose Miteinander.

Der nächste Stolperstein: Die Erwartungshaltung, die wir alle hatten. Sie war gross, die Ernüchterung auch. Es stellte sich heraus, dass unsere Vorstellung unterschiedlich und die Erwartung ans Endprodukt zum Teil stark variierte. Und dann bremste uns der Onboarding-Prozess aus. Die Stimmung kippte. Was war passiert?

«Beim Frontend-Entwickler laufen alle Fäden zusammen; Backend-Anbindung, Design, UX. Das kann sehr befriedigend sein. Oder auch frustrierend.»
Kilian Schefer, Frontendentwickler

Die gemeinsame Entwicklung im Team stockte, weil zu viele Details nicht geklärt, nicht bekannt oder nicht getestet waren. Rückblickend war auch der Entscheid zur Arbeitsweise mit Scrum ohne Begleitung nicht die beste Wahl. Es fehlten die im agilen Sinne iterativen Überarbeitungen eines MVP und der Fokus auf die Kernfunktionalität, die den Mehrwert schafft. Und zu Beginn fehlte uns auch die Ausarbeitung der Idee: ein Klickdummy. Etwas Visuelles, um eine gemeinsame, konkrete Erwartungshaltung aufzubauen.

«Scrum wird in der Theorie gerne als ein selbstlernendes Werkzeug für selbstorganisierte Teams als Allheilmittel interpretiert, deren sinnvolle Anwendung mit den agilen Methoden in einer neuen Konstellation initiale und durchgehende Begleitung empfiehlt.»
Denis Haramincic, Projektleiter, Scrum Master

Dieses Versäumnis kostete uns nicht nur Zeit. Es führte auch zu Spannungen im Team. Die unerfüllten Erwartungen führten zu Missverständnissen. Das langsame Vorankommen und der immer näher kommende Endtermin verursachte Stress. Bewältigt haben wir diese Krise am Ende gemeinsam. Mit viel Fleiss, persönlichen Einsatz und Teamgeist. Und wir haben die Lektion gelernt: Der Aufbau für einen Workflow muss einerseits allen Bedürfnissen gerecht werden und andererseits von allen Beteiligten verstanden und gelebt werden. Das erfordert Flexibilität, denn Agilität funktioniert nicht bei jedem Projekt in gleichem Masse.

«IT ist immer Technologie und Mensch; idealerweise greift alles wie ein Räderwerk ineinander. Aber gelingt dies nicht, geht viel Energie in den Prozessen verloren.»
Timur Sagirosman, Teilprojektleiter Matchd

Am Ende haben wir jede Herausforderung gepackt und konnten Matchd präsentieren. Eine Web-App, die nicht nur funktioniert, sondern auch der innovativen Grundidee entspricht und sich von allen anderen Angeboten abhebt: Matchd führt die passenden Paare zusammen und berücksichtigt dabei «harte» sowie «weiche» Faktoren. Die technischen Skills zum Beispiel. Aber auch die Erwartungshaltung, die persönlichen Werte und die Wünsche. Die richtigen Personen werden «gematchd». Der Name ist Programm.

Titelbild der MatchD Applikation

Es ist uns gelungen, etwas Einzigartiges, etwas Regionales und auf die Zielgruppe Zugeschnittenes zu entwickeln, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Etwas, wofür sich auch Liip mit der Bereitstellung von Praktikumsplätzen engagiert. Matchd ist ein Erfolg: Bereits in den ersten 3 Monaten haben sich knapp 100 Studierende registriert. Die angehenden Ostschweizer ICT-Fachkräfte brennen darauf ihre Skills unter Beweis stellen können. Als Praktikant*in, studentische Teilzeitkraft, als Trainee, Berufseinsteiger*in oder als Verfasser*in einer praxisorientierten Bachelor- oder Masterthesis.

Trotz aller Stolpersteine: Wir haben gemeinsam unser Ziel mit dem MVP erreicht. Matchd wird genutzt und die Plattform wird sich nun stetig weiterentwickeln. Wir haben eine gute Basis geschaffen. Das Ende ist darum kein Ende, sondern ein neuer Anfang.


Zu Matchd

Die Vernetzungsplattform Matchd ist Teil der IT-Bildungsoffensive (ITBO) des Kantons St.Gallen. Die ITBO hat zum Ziel, dem Fachkräftemangel im ICT-Bereich entgegenzuwirken und damit den Wirtschaftsstandort St.Gallen zu stärken. Die Region soll führender Standort in der Digitalisierung werden, und ihre Bürger*innen sollen den digitalen Wandel aktiv und vorausschauend mitgestalten. Die IT-Bildungsoffensive berücksichtigt alle Schulstufen und umfasst fünf Schwerpunktprojekte – das hat schweizweit Pioniercharakter. Matchd verbindet dabei Bildung und Wirtschaft, so kann die Region ihr ganzes Potential entfalten.

The Story behind Matchd
Fachkräftemangel? Nicht bei Matchd!

Projekt-Ablauf

Pitch: 17. Juni 2020
Scoping Workshop: 23. Juli 2020
Kick-Off: 29. September
Start Implementierung: 4. Januar 2021
Soft-GoLive (1.0.0): 27. Mai 2021
GoLive (1.1.0): 1. Juli 2021

Technologie/Infrastruktur

Frontend: Typescript, VueJS 3, Tailwind CSS, D3.js
Backend: Python, Django, Tailwind, GraphQL, ElasticSearch
Infrastruktur: CI/CD via Gitlab, Docker